Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 544/545-S. 18-19

„Das Beste ist das Wasser" (Pindar)

Passauer Gautag in Frauenau (Bayerischer Wald) am 26. September 2009

Eine Schrift von Herbert Plate (Hamburg 1966), die sich mit den modernen Problemen der Wasserwirtschaft beschäftigt, trägt den Titel „Das Beste aber ist das Wasser", ein Zitat aus einer Ode des griechischen Dichters Pindar.
Welch gewaltiger und vielfältiger Anstrengungen es bedarf, um das kostbare Gut des Wassers zur Verfügung zu stellen und zu halten, ist jedem mehr oder weniger klar, aber die Passauer Rhaeten konnten es bei ihrem Gautag in Frauenau am 26.09.2009 höchst anschaulich erfahren.
Allerdings bewirkten verschiedene Umstände, dass nur eine verhältnismäßig bescheidene Zahl von Bundesbrüdern mit Angehörigen diese Möglichkeit nutzen konnten, wobei dankbar vermerkt sei, dass der Passauer Stamm auch diesmal durch Mitglieder anderer Gaue verstärkt wurde, über deren Anwesenheit wir uns auch sonst immer wieder freuen dürfen. Es waren dies die Bundesbrüder Ludwig Felber und Dr. Helmut Liebl mit ihren Gattinnen sowie Bundesbruder Helmut Hilz. Durch Karolin König war auch die ganz junge Generation wieder vertreten.
Der Gautag gestaltete sich diesmal etwas ausladender als sonst, weil gleich zwei der Wasserversorgung dienende Objekte zu besichtigen waren, nämlich die Trinkwassertalsperre Frauenau und die ein paar Kilometer davon entfernt liegende Aufbereitungsanlage Flanitz. Dementsprechend fanden wir uns auch zweimal zu körperlicher Stärkung und gemütlichem Gespräch im Gasthaus ein.
Am Zustandekommen und der gelungenen Durchführung des Gautags hatten mehrere Personen wesentlichen Anteil: Das waren Bb. Gerhard Neuhierl, von dem die Anregung stammte und der im Vorfeld wichtige Erkundigungen einzog, sodann der stellvertretende Leiter des Wasserwirtschaftsamts Deggendorf, Herr Josef Feuchtgruber, über dessen höchst förderliche Mitwirkung an späterer Stelle zu sprechen sein wird, sowie die Herren Wagner und Dr. Treml die uns in kompetenter Weise durch die Anlagen der Trinkwassertalsperre bzw. der Aufbereitungsanlage führten.
Nachdem Herr Feuchtgruber die Rhaeten am Tor der Trinkwassertalsperre in Empfang genommen hatte, führte er sie in den Konferenzraum der Anlage, wo er ein sehr informatives Einführungsreferat bot.
Wir erfuhren, dass für die beiden Einrichtungen unterschiedliche Zuständigkeiten gelten: Die erste untersteht dem Staat, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt, die zweite dem Zweckverband „Wasserversorgung Bayerischer Wald".
Für den Entschluss, im Bayerischen Wald eine Trinkwassertalsperre zu bauen, waren verschiedene Faktoren von Bedeutung: Da war zunächst einmal der Bedarf, der mit Beginn der 60er Jahre stark zugenommen hatte und auf die Dauer nicht ohne weiteres gedeckt werden konnte. Der Bayerische Wald ist nämlich zwar regenreich, aber sein Boden ist wenig geeignet, Wasser zu speichern, denn über dem für die Landschaft konstitutiven Urgestein liegt nur eine wenig durchlässige Verwitterungszone und darüber eine „geringmächtige Oberbodenauflage". Die vorhandenen Quellen schwanken dementsprechend in ihrer Ausschüttung sehr, und so sollte ein Stausee mit Hilfe von Hochwasserschutz und Niedrigwasseraufhöhung das Vorhandensein einer gleichbleibenden Wassermenge sichern.
Aber warum fiel die Wahl gerade auf den Raum Frauenau? Weil das zur Verfügung stehende Einzugsgebiet, das übrigens zu etwa einem Zehntel zu Tschechien gehört, frei von Siedlungen und vollständig bewaldet ist (fast ganz im Bereich des bayerischen und des tschechischen Nationalparks) sowie eine sehr gute Wasserqualität aufweist. Hinzu kommt die Höhenlage, die es erlaubt, natürliches Gefälle zu nutzen und auf Pumpen zu verzichten.
Konkret ging es nun darum, den Hirschbach und den Kleinen Regen aufzustauen, und was Herr Feuchtgruber anhand von Veranschaulichungsmaterial über die Entstehung des hierfür erforderlichen Damms zu berichten hatte, vermittelte ein eindrucksvolles Bild von der Schwierigkeit und der Komplexität eines solchen Unterfangens. Ein kurzer Blick auf den Querschnitt des in Höhe seiner Krone 640m langen und ca. 84m hohen Damms möge eine Ahnung davon geben: Die Mitte bildet ein schmaler Lehmstreifen, die Kerndichtung, deren Standsicherheit durch Steinstützkörper gewährleistet wird. Zwischen diesen und der Kerndichtung ist eine Übergangszone eingelagert, die u. a. dem Ausgleich von Verformungen dient. Damit aber ein solcher Damm das Entstehen eines Stausees wirklich sichern kann, wird noch ein sogenannter Dichtungsschleier in den Untergrund gesenkt, damit das Wasser nicht unter dem Damm durchsickern kann.
In den Untergrund führte der Weg nun auch die Rhaeten, geführt von Herrn Wagner, dem Leiter der Seemeisterstelle, und Herrn Feuchtgruber, der während des ganzen Besichtigungstages präsent war:
Es konnten sich schon danteske Assoziationen einstellen, als wir die unter Damm und Stausee verlaufenden Gänge durchschritten, die der ständigen Überwachung des Staudamms dienen und durch die man auch zur Basis des Entnahmeturms kommt, über den ein Teil des aufgestauten Wassers - hier „Rohwasser" genannt - mittels unterirdischer Rohre in Richtung Aufbereitungsanlage abgezweigt wird, nachdem es im sog. Krafthaus zunächst eine Turbine zur Stromerzeugung angetrieben hat. Warum aber nur ein Teil des Wassers? Nun, die talabwärts Wohnenden wären wenig erbaut, wenn vom Kleinen Regen unterhalb der Talsperre nur noch ein Trockental übrigbliebe.
Bevor es nun, dem natürlichen Lauf des Wassers folgend, zur Aufbereitungsanlage ging, genehmigte sich die Rhaetenrunde ein ordentliches Mittagessen. Eingenommen wurde es in dem sehr ansprechenden Hotel Eibl-Brunner und es bot dem Gauobmann auch die Gelegenheit zur Information über den für 14./15.November geplanten Aktivenbesuch in Passau und dessen vorgesehene Gestaltung.
Weiter oben war davon die Rede, dass u. a. die in der Gegend gebotene sehr gute Wasserqualität ein Anlass gewesen sei, die Talsperre gerade hier zu errichten. Das lobende Prädikat gilt aber nur dem Naturprodukt Wasser und das heißt noch lange nicht, dass dieses schon der geltenden Trinkwasserverordnung entspricht. Was dieses „Rohwasser" alles über sich ergehen lassen muss, bis es diese Voraussetzung erfüllt, machte uns Herr Dr. Harald Treml bei der Besichtigung der Aufbereitungsanlage klar, bei der wir uns nach dem Mittagessen einfanden.
Wir erfuhren und sahen es auch, dass das Rohwasser über verschiedene Filterstufen, deren erste z.B. 95% der Schwebstoffe herausfiltert, und eine Mischkammer, in der ihm bestimmte Stoffe zugesetzt werden, schließlich zu dem Trinkwasser wird, das wir täglich so selbstverständlich gebrauchen und genießen, und zwar dank der deutschen Trinkwasserbestimmungen, die nach Dr. Treml die strengsten der Welt sind. Dass die Trinkwasserqualität eine ernste Sache ist, darauf hatte uns übrigens vorher schon Bb. Hilz durch eine Familienerinnerung eingestimmt: Er hatte berichtet, dass seine Vorfahren 150 Jahre lang am Zwieseler Stadtplatz gelebt haben. Durch sie wisse er, dass vor 1884, dem Jahr, in dem die zentrale Wasserversorgung eingeführt wurde, die Kindersterblichkeit bei 2/3 gelegen habe. Danach sei sie sofort um die Hälfte gesunken.
Auch ein langer Gautag geht zu Ende, und mag der Lateiner sagen: „Varietas delectat", so galt das in diesem Fall nicht: Alle waren damit einverstanden, auch den Nachmittagskaffee im Hotel Eibl-Brunner einzunehmen, wo man sich noch in aller Ruhe über diesen eindrucksvollen Gautag austauschen konnte.

Bb. Franz Salzinger