Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 484/485-S. 10

Im "Dom des Rottals"

Der Gau Passau traf sich am 23. Oktober 1999 in Fürstenzell und Neukirchen/Inn

Es war nicht das erste Mal, dass der Gau Passau ungewöhnliche Einblicke in die Arbeit eines seiner Mitglieder, nämlich von Bb. Günter Albrecht, dem Leitenden Baudirektor am Landbauamt Passau, tun konnte.

Diesmal war es die unter seiner Leitung durchgeführte Sanierung der prächtigen Klosterkirche von Fürstenzell bei Passau, die wegen ihrer Größe und Schönheit gern auch der "Dom des Rottals" genannt wird.

Vor ihrer Fassade versammelten sich am Nachmittag des 23. Oktober nicht weniger als 32 Personen, darunter vier Kinder. Erfreulicherweise waren auch wieder Bundesbrüder aus anderen Gauen hinzugestoßen, nämlich Bb. Felber aus dem Rupertigau, Bb. Buckl mit Frau aus dem Gau Traunstein und Bb. Spitzer aus dem Gau Regensburg.

Bb. Albrecht gab zunächst einen Einblick in die baulichen, rechtlichen und finanziellen Aspekte der Sanierung.

Diese war dringend notwendig geworden, weil sich seit Mitte der 80er Jahre bedenkliche Schäden am Gewölbe gezeigt hatten, die sogar zum Herabfallen von Stuckteilen führten. Messungsarbeiten ergaben, dass sich die Auflagepunkte des Gewölbes bewegten und der Gewölbedruck dieses immer stärker nach außen drückte. In Zahlen gefasst: Für das Langhaus ergab sich nur mehr ein Sicherheitsgrad von 10 bis 15 %, für das Presbyterium etwas mehr.

Da im Hinblick auf die Säkularisierung von Kirche und Kloster im Jahre 1803 dem Staat die Durchführung substanzerhaltender Arbeiten obliegt, erging an die zuständigen Stellen der offizielle Auftrag, in Zusammenarbeit mit der Kirche die Sanierung in Angriff zu nehmen. Von den zwei grundsätzlich bestehenden Sicherungsmöglichkeiten Sicherung von oben her und Sicherung durch Zugstangen wurde letztere bevorzugt, weil die erste einen Eingriff in den historischen Dachstuhl notwendig gemacht hätte und eine ernsthafte optische Beeinträchtigung durch die Zugstangen nicht zu befürchten war

.Für die Sanierung selbst musste ein Sicherungsgerüst aufgebaut werden, das praktisch das ganze Langhaus ausfüllte, weil es einem doppelten Zweck diente: als Arbeitsplattform und zur Abstützung des Gewölbes.

Natürlich beeindruckte die von Bb. Albrecht genannte Zahl von 15 Millionen Sanierungskosten, eventuelle Zweifel an deren Vertretbarkeit wurden aber spätestens zunichte, als man das Gerüst bestieg und nun aus ganz ungewohnter, unmittelbarer Nähe die herrlichen und im Grunde gut erhaltenen Deckengemälde des Tiroler Malers Johann Jakob Zeiller bewundern konnte, deren Dimensionen eine gute Fernwirkung garantieren, deren feine Ausführung aber auch in der Nahsicht beeindruckte. Kein Wunder, dass die unmittelbare Nachbarschaft gemalter Engel und Heiliger einer Besucherin das Bonmot entlockte: "Da sind wir ja schon im Himmel!" Der Laie fragte sich auch, wie der Maler, der ja in dieser kurzen Entfernung von seinem Gegenstand arbeiten musste, überhaupt in der Lage war, die Gesamtproportionen seiner umfangreichen Darstellungen so sicher zu disponieren.

Übrigens stellte sich dem Sanierungsteam und den beteiligten Organen der Kirche noch ein Spezialproblem: Der Hochaltar von Johann Baptist Straub mit seinen nach BerniniArt gedrehten Säulen wurde im Jahre 1856 nach hinten verschoben, offenbar um einen größeren Chorraum zu gewinnen, während hinter dem Altar früher Sakristei und Mönchschor übereinander angeordnet waren. Die Frage war nun, ob man es beim gegenwärtigen Zustand belassen oder zu dem vor 1856 bestehenden zurückkehren sollte. Zwar favorisierten ein Teil der Fachleute und auch der Pfarrgemeinderat eine konservative Entscheidung, doch entschloss man sich schließlich doch zur Verschiebung, die allerdings technisch minutiös ins Werk gesetzt werden musste: Der Altar wurde an 300 Punkten gesichert, dann über hydraulische Pumpen angehoben und auf Schienen in die alte Position geschoben. Man verspricht sich so Günter Albrecht "eine phantastische Raumwirkung".

Diese großartige Kirche, an deren Entstehung mit ihrem Baumeister Johann Michael Fischer, mit Johann Baptist Straub und Johann Georg Funck einerseits sowie Johann Jakob Zeiller andrerseits wesentliche Vertreter der zeitgenössischen Münchner und Wiener Hofkunst beteiligt waren, an der aber auch bedeutende einheimische Künstler wie Johann Baptist Modler aus Kößlarn und Joseph Deutschmann aus Passau mitwirkten, wird also bald wieder in gesicherter alter Pracht erstrahlen, von der die rhaetischen Besucher bereits erfreuliche Kostproben bekamen.

Doch noch nicht genug des Augenschmauses: P. Bernhard Mersmann vom seit 1930 im ehemaligen Zisterzienserkloster beheimateten Maristenorden führte die Bundesbrüder und ihre Angehörigen noch in den Klosterinnenhof mit dem Außenblick auf den reizvollen sog. mathematischen Gang (Gestalten in Illusionsmalerei stellen die Anwendung der Mathematik auf verschiedenen Gebieten, z. B. der Astronomie, der Ballistik und der Musik dar), informierte sie über verschiedene Aspekte zisterziensischer Spiritualität, Baugesinnung und Lebensform sowie über in jüngerer Zeit vorgenommene Veränderungen des alten Klosterkomplexes und zeigte ihnen abschließend noch ein besonderes "Schmankerl", nämlich die Klosterbibliothek.

In höchst reizvoller Weise konfrontieren hier figürliche Darstellungen menschliche Leistung und menschliche Unzulänglichkeit: Ein Putto etwa zeigt stolz eine offenbar wohlgelöste schriftliche Aufgabe vor, während ein anderer anscheinend auf keinen grünen Zweig gekommen ist und sich darob die Haare rauft.

Ein fauler Schüler hat sich eine Schlafmütze über den Kopf gezogen, während sein fleißiges Gegenstück sich auf einen Bienenkorb stützt. Zwei andere haben gar die mahnend hinter ihnen aufscheinenden Tafeln mit den zehn Geboten vergessen und raufen sich um eine Wurst...

Dieser appetitliche Anblick war die rechte Einstimmung auf den zweiten Teil des Gautags, die Einkehr beim "Bräu" in Neukirchen am Inn.

Gauobmann Robert Brummer dankte dort vor allein Bundesbruder Albrecht für die Ermöglichung und Durchführung der vorausgegangenen hochinteressanten und eindrucksvollen Besichtigung, dann aber auch allen anderen erschienenen Bundesbrüdern, besonders den aus den Nachbargauen, für ihre Teilnahme.

Zwar hatten aus Zeitgründen nicht mehr alle zum "Bräu" gefunden, die Anwesenden aber fühlten sich in diesem gastlichen Haus, das Bodenständigkeit, gepflegte Einrichtung und eine exzellente Küche vereint, außerordentlich wohl.

Bb. Franz Salzinger