Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 519-S. 15

Passauer Rhaeten besuchen das Kloster Niedernburg

Gautag am 17. September 2005

Wenn es um die Wahl eines Gautagsziels geht, werden einem zunächst zwei Kriterien vorschweben: Es soll ein lohnender Besichtigungsgegenstand sein, und der Weg zu einer attraktiven Einkehrmöglichkeit soll nicht zu weit sein. Sofort wird einem aber auch ein drittes Erfordernis bewusst: In der Nähe sollten genug Parkplätze sein. Da ist es schon ein Wagnis und nur angesichts der besonderen Anziehungskraft eines Ziels zu riskieren, wenn man - wie beim Passauer Gautag vom 17. September 2005 geschehen - dem letztgenannten Kriterium nur mit großer Einschränkung Rechnung tragen kann. Es war nun tatsächlich ein besonderer Ort, den wir uns da ausgesucht haben, das Kloster Niedernburg in Passau nämlich, dem seinerzeit Kaiser Heinrich II. der Heilige seine Gunst schenkte. Er stattete es mit reichem Landbesitz aus und verlieh ihm gewichtige politische Rechte. Schließlich fand die Verbundenheit zwischen Kaiser und Kloster noch einen ganz persönlichen Ausdruck: Niedernburg birgt das Grab seiner Schwester Gisela. Sie hatte als Gattin des ersten ungarischen Königs, Stephans des Heiligen, wesentlich dazu beigetragen, dass Ungarn ein Staat westeuropäischer Prägung wurde und sich zur lateinischen Kirche hin orientierte. Wegen dynastischer Wirren nach dem Tod ihres Gatten hatte Kaiser Heinrich seine Schwester nach Bayern zurückgerufen und ihr im Kloster Niedernburg eine neue Heimstatt gegeben, wo sie bald zur Äbtissin gewählt wurde und wo sie schließlich auch ihre letzte Ruhestätte fand. Ungarn hatte sie nicht mehr wieder gesehen, aber seither ist umgekehrt ihr Grab das Ziel vieler Ungarn und ist Passau „eine Stadt, die den Ungarn am Herzen liegt", wie es kürzlich der Botschafter der Republik Ungarn in Deutschland, Dr. Sándor Peisch, ausdrückte. Solche Bezüge würden freilich nicht ausreichen, um Niedernburg für einen Gautag interessant zu machen, obwohl es sich hier gewiss um einen bayrischen Urort handelt. Niedernburg ist aber auch sonst nicht irgendein Kloster, sondern zunächst einmal, wie es ein Kunsthistoriker formuliert hat, „ein (...) fast syrisch anmutende(r) Komplex von Kirchen, Gängen und Kapellen". Der Rundgang konnte freilich im gebotenen Zeitrahmen nur eine Ahnung davon vermitteln, zumal manches nur noch rudimentär vorhanden ist. Er galt zunächst der eigentlichen Klosterkirche, die die Zeiten überdauert hat. In ihren Grundfesten ruhen die um 1980 gründlich erforschten Reste des spätrömischen Vorgängerbaus, der vielleicht die älteste Passauer Bischofskirche gewesen ist. Der rechte Querarm birgt das schon erwähnte Grab der seligen Gisela und das ihrer Tante Heilika, die gleichfalls Äbtissin des Klosters war. Eine weitere, ungewöhnliche Grabstätte liegt im Mittelschiff der Kirche: das Grab des armenischen Erzbischofs Gregorius, der offenbar seine Heimat hatte verlassen müssen, als Eremit im Raum Passau lebte und hier 1093 starb - während einer Sonnenfinsternis, wie die Annalen des Klosters Windberg berichten. Auf die verschiedenen wertvollen Plastiken in der Kirche sei hier nicht eingegangen, erwähnt sei aber der sog. Ciborium-Altar - als solcher für Süddeutschland singulär - in der Apsis. Seine Reste wurden 1979 wieder entdeckt und in der Folgezeit zusammengefügt. Bevor wir nun in unserer Vorstellung den Kirchenraum verlassen, sei endlich mit Freude ausgesprochen, dass trotz der anfangs erwähnten Ungunst der topographischen Lage die sehr beachtliche Anzahl von 38 Bundesbrüdern - Angehörige miteingeschlossen - der Einladung des Gauobmanns gefolgt war, darunter wieder unsere treuen Regensburger, vertreten durch die Ehepaare Härtl und Spitzer sowie Bb. Kühn und das Ehepaar Felber, das - gleichfalls in alter Treue - wieder aus dem fernen Piding gekommen war. Und höchste Zeit ist es auch, die Führerin zu erahnen, die sich dankenswerterweise bereit erklärt hatte, uns ihr Kloster zu zeigen: Schwester Renata Hampel, die durch Auftritte im Fernsehen auch überregional bekannt geworden ist. Sie bot nicht nur Information in anschaulicher Form, sondern ließ auch immer wieder ihr Herz sprechen, das an diesem Ort jahrzehntelangen Lebens und Wirkens hängt. Noch mehr als von Niedernburg gilt dies freilich von einer Stätte, die nicht zu Niedernburg gehört, aber in der Nähe liegt und den Abschluss unseres Besichtigungsgangs bildete. Es ist dies die höchst reizvolle Rokoko-Hauskapelle des Lukas Kernschen Waisenhauses im „Ort". Schwester Renata leitete es 25 Jahre und erzählte während der Führung manches Ernste und Heitere aus dieser langen Zeit.

Apropos ernst und heiter: Wir haben vorausgegriffen - der Besichtigung der Niedernburger Klosterkirche war nämlich noch ein Rundgang durch den ehemaligen Kreuzgang und ein Blick in die Vorhalle der ehemaligen Marienkirche gefolgt, deren übriger Teil dem Stadtbrand von 1662 zum Opfer gefallen ist. Diese Vorhalle birgt Passaus wohl größten kunsthistorischen Schatz - zumindest wenn man den Akzent auf „historisch" legt - einen romanischen Freskenzyklus und es ist nun gar nicht heiter, sondern vielmehr eine sehr ernste Sache, dass dieses Kleinod bis zum heutigen Tag Verfall preisgegeben ist. Das Übel lag bisher daran, dass das zuständige Kloster zu arm ist, um für die nötigen Konservierungsmaßnahmen aufzukommen, und der Staat sich bislang nur begrenzt zuständig fühlte. Trotzdem verließen wir den Ort nicht ganz ungetröstet, denn Bb. Günter Albrecht, der es als Leiter des Staatlichen Hochbauamtes Passau wissen muss , versicherte uns, dass die nötigen Schritte eingeleitet sind. Kaum einer der Passauer Gautage der letzten Jahre genügte so sehr wie dieser der schon von Aventinus dokumentierten Vorliebe des bayerischen Volkes für die wechselseitige Nähe von Kirche und Wirtshaus, denn wir brauchten nur ein paar Schritte zu gehen, um uns vom Passauer „Altstadthotel" aufnehmen und wunschgemäß bewirten zu lassen. Der Gauobmann hatte den Eindruck und bekam es nachher auch bestätigt, dass man sich in diesem Hause sehr wohlgefühlt hat und der Gautag so bei Speis und Trank und bei guten Gesprächen einen recht harmonischen Ausklang fand.

Bb. Franz Salzinger