Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 531-S. 22

Im römischen Passau

Gautag der Passauer Rhaeten am 22. September 2007 in Passau-Boiotro

Die Passauer Landschaft ist vielgestaltig, das ist allgemein bekannt. Weniger bekannt dürfte sein, dass dieser Vielgestaltigkeit im Laufe der Zeiten öfters auch eine politisch-regionale Vielfalt entsprach.
So schon in römischer Zeit: Mit der Altstadthalbinsel mündete die Provinz Rhaetien nach Osten aus, jenseits des Inns schloss sich die Provinz Noricum an und auf der anderen Seite der Donau begann das freie Germanien. Wenn sich die Passauer Rhaetia diesmal jenseits des Inns traf, so hatte sie also das ihr namensmäßig angestammte Rhaetien verlassen und sich nach Noricum begeben.

Aber was soll hier diese römische Maskerade? Nun, sie liegt nahe, weil das erste Ziel dieses Gautags eben ein römisches war, nämlich das Römermuseum Boiotro in der Nähe der Severins-kirche. Es befindet sich in einem mittelalterlichen Gebäude, das seinerzeit in die Reste eines spätrömischen Kastells hineingebaut wurde und einen Teil von dessen Mauerwerk integrierte. Der Passauer Stadtarchäologe Dr. Jörg-Peter Niemeier, der sich dankenswerterweise zur Führung bereit erklärt hatte, erläutert zunächst im Außenbereich des Museums Gestalt und Umrisse der Anlage, wobei klar wurde, dass diese keineswegs den landläufigen Vorstellungen von einem römischen Kastell - großes Rechteck, geteilt durch kreuzförmig verlaufende Lagerstraßen - entsprach. Es war vielmehr ein kompaktes, in etwa fächerförmiges Viereck mit vier gleichfalls fächerförmig angelegten, massiven Ecktürmen und ähnelte eher einer mittelalterlichen Burg. Ein Kastell der uns vertrauteren Form war schon etwa 200 Jahre vorher innabwärts in Höhe des Dreiflussecks entstanden. Es trug den Namen Boiodurum, der dann in einer fast italienisch klingenden Form auf das spätrömische Kastell übertragen wurde. Weitere Kastelle sind für die Altstadt belegt und in Resten auch tatsächlich archäologisch nachgewiesen. Funde aus allen diesen Bereichen und darüber hinaus finden sich in den Vitrinen des Museums Boiotro, denen anschließend die Aufmerksamkeit galt. Bei aller Freude am Vorhandenen ist natürlich klar, dass Passau sich weder in den Einzelfunden noch in den architektonischen Hinterlassenschaften der Römer mit Städten wie Regensburg oder Augsburg messen kann. Das liegt aber nicht nur an der geringeren militärischen und administrativen Bedeutung, sondern auch an der topographischen Enge des Siedlungsraums, der mit seinem Zwang zu Abtragungen und Überbauungen der Erhaltung älterer Reste nicht sehr günstig war. Gleichwohl wusste Dr. Niemeier Erfreuliches zu melden: Die größte der gefundenen Kleinplastiken, eine Jupiterstatue, prangte bis in jüngere Zeit auf einschlägigen Passauer Prospekten, bis man erwiesen zu haben glaubte, dass es sich um ein Werk aus der Renaissancezeit handelt. Nun ist aber, so Dr. Niemeier, diese These durch weitere Funde ins Wanken geraten, so dass man einen römischen Ursprung wieder für möglich halten darf. Besondere Hervorhebung erfuhr aber ein in Boiotro (wenn auch nur in Kopie) aufgestellter ansehnlicher Fund: der 1981 aus dem Inn gebaggerte Grabstein des Weinhändlers Publius Tenatius Essimnus aus Trient, den wir auf einer Seitenfläche des Steins sogar bei seiner Arbeit sehen.

Den Trost der Trauben hatten Militär und Zivilbevölkerung ja auch sehr nötig, lebten sie doch unter der ständigen Drohung germanischer Überfälle von jenseits der Donau . Es wurde ihnen freilich auch noch höherer Trost zuteil: In Boiotro standen wir an einer der Wirkungsstätten des heiligen Severin, jenes für die Menschen dieses Raumes zu dieser Zeit in religiösen wie in weltlichen Belangen höchst bedeutsamen Mannes. Der in der Nähe von Passau lebende und vor allem in diesem Umfeld wirkende Künstler Leopold Hafner hat ihm ein Denkmal geschaffen, das am Rand des Museumsgeländes aufgestellt ist. Es bot der Rhaetenrunde einen willkommenen Kristallisationspunkt für ein Gruppenfoto. Dabei war es für uns eine große Freude, unseren stellvertretenden Philistersenior Bb. Manfred Stegmüller mit seiner Gattin und weitere Bundesbrüder aus anderen Gauen (die Bb. Ludwig Felber und Ernst Härtl mit ihren Gattinnen sowie die Bb. Dr. Heinrich und Johann Gruber, Dr. Martin Pilstl und Bb. Ferdinand Remmel mit seiner Begleiterin) begrüßen zu dürfen. Nun, der anfänglich erwähnten Grenzüberschreitung folgte noch eine Zweite:
Nach der Besichtigung von Museum und Kastellgelände fuhr man über den Mariahilfberg ins benachbarte Österreich zum Hotel-Restaurant „Waldschloss". Dieses hat zwar keinen - wie man aufgrund des Namens vermuten könnte - feudalen Ursprung, aber das Speiseangebot fand große Anerkennung - und zum sonstigen Wohlbehagen leistete der Himmel seinen Beitrag: Er ermöglichte trotz der vorgerückten Jahreszeit einen gemütlichen, von Sonnenschein und Wärme begünstigten Aufenthalt im Gastgarten.

Bb. Franz Salzinger